Erkältungen und Grippe

Hilft Ingwer bei Erkältungen und Grippe?

Viele Menschen leiden speziell um die Jahreswende herum regelmäßig unter Erkältungen und Grippe. Ein beliebtes Hausmittel gegen Erkältungen ist Ingwer, bzw. Ingwertee. Doch kann man tatsächlich eine Erkältung mit Ingwer schneller loswerden? Studien geben Aufschluss über die Wirkung von Ingwer bei Erkältungen und Grippe.

Erkältungen zählen sicherlich nicht zu den schwerwiegendsten Erkrankungen. Trotzdem können wiederkehrende Infekte unangenehm sein und die Lebensqualität einschränken. Für Menschen mit einer eingeschränkten Immunfunktion können solche harmlosen Infekte auch durchaus gefährlich sein. Dementsprechend sind viele Menschen auf der Suche nach Möglichkeiten ihr Immunsystem zu stärken.

Vieles spricht dafür, dass Ingwer in dieser Hinsicht ein vielversprechender Kandidat sein könnte. Doch um wirklich zu verstehen, wie Ingwer immunmodulatorisch wirksam werden könnte, muss man sich zunächst einmal die Prozesse, die bei einer Erkältung ablaufen, vor Augen führen.

Was ist der Unterschied zwischen Erkältung, Grippe und Lungenentzündung?

Frau trinkt IngwerteeErkältungen und Grippe zählen zu den sogenannten Atemwegsinfekten. Darunter versteht man alle Arten von Infektionen in Nase, Rachen, Bronchien und den Lungenflügeln. Diese können sowohl durch Viren, als auch Bakterien verursacht werden. Diese Krankheitserreger werden durch Husten und Niesen durch die Atemluft transportiert und gelangen über die Schleimhäute der Atemwege in den Körper. [12]

Man unterscheidet dabei Infekte der oberen und unteren Atemwege. Infekte der oberen Atemwege betreffen Nase, Rachen und Bronchien und sind in der Regel durch Viren bedingt. Infekte der unteren Atemwege sind eher in den Lungenflügeln selber zu finden und werden vor allem durch Bakterien verursacht. Außerdem kann es passieren, dass eine bakterielle Infektion auf Basis eines viralen Infekts auftritt. In diesem Fall spricht man von einer Superinfektion. [12]

Unterschied Bakterien und Viren

Ein Bakterium besteht aus einer einzigen Zelle und zählt genau wie Tiere, Pflanzen und Pilze zu den Lebewesen.

Ein Virus hingegen hat keinen zellulären Aufbau. Er besteht aus einem Proteingerüst und ggfs. einer Membran und vermehrt sich durch Befall von Wirtszellen. Er wird daher nicht zu der lebenden Umwelt gezählt.

Bakterien und Viren haben gemein, dass die Symptome der von ihnen verursachten Krankheiten häufig gar nicht direkt durch den Erreger, sondern durch die Reaktion des Immunsystems ausgelöst werden.

Das, was man im Allgemeinen als Erkältung wahrnimmt, sind in der Regel viral bedingte, milde Infekte der oberen Atemwege. Bakterielle Infektionen der unteren Atemwege äußern sich hingegen als Lungenentzündungen mit schwerer Symptomatik und kommen seltener vor. Als Grippe bezeichnet man eine virale Infektion mit dem sogenannten Influenza-Virus. Diese ähnelt prinzipiell einer Erkältung, ist jedoch stärker ausgeprägt, und kann für alte und immunschwache Menschen durchaus gefährlich werden. [12]

Erkältungen und Grippe sind meist viral bedingt, Lungenentzündungen eher bakteriell

Erkältungsviren zählen zu den saisonalen Krankheitserregern. Die meisten Vertreter haben ihre Hochphase im Winter um die Jahreswende herum. Kühle Außentemperaturen erleichtern ihre Vermehrung, während trockene Heizungsluft und lange, dicht gedrängte Aufenthalte in Gebäuden die Übertragung begünstigen.

Was passiert bei einer Erkältung im Körper?

Doch woher kommen die Krankheitssymptome bei einer Erkältung überhaupt? Tatsächlich ist das, was wir als Krankheit wahrnehmen, eine Mischung aus der Abwehrreaktion unseres Körpers und Effekten, die auf die Anwesenheit des Krankheitserregers zurückzuführen sind. Wenn Viren über die Schleimhaut in den Körper gelangen, infizieren sie gesunde Zellen und das Immunsystem wird in mehreren Schritten aktiv. Man unterscheidet dabei eine unmittelbare, unspezifische Immunantwort und eine verzögerte, spezifische Abwehr. [13]

Im Gewebe kommen die Viren zunächst in Kontakt mit sogenannten Natural-Killer-Zellen. Diese Zellen „tasten“ andere Zellen in ihrer Umgebung ab und töten die Zellen, die bereits von Viren befallen sind. Dadurch verhindern sie, dass sich die Viren vermehren. [13]

Natural-Killer-Zellen töten als erste Abwehrmaßnahme virus-infizierte Zellen ab

Wenn die Viren auf diesem Weg nicht eingedämmt werden können, setzen weitere Mechanismen ein. Immunzellen beginnen Entzündungsmediatoren zu produzieren, die jetzt verschiedene Prozesse anstoßen. Zum einen steigt die Durchlässigkeit der Gefäßwände in den Schleimhäuten und weitere Immunzellen werden angelockt. Dadurch gelangen zusätzliche Immunzellen und Flüssigkeit ins Gewebe. Die Schleimhäute schwellen an und die Schleimproduktion wird gesteigert. Der Schleim in Kombination mit einem gesteigerten Hustenreiz erleichtert den Abtransport von weiteren Erregern und abgestorbenen Zellen. [13]

Einige Entzündungsmediatoren bedingen außerdem eine Zunahme der Körpertemperatur, was man als Fieber wahrnimmt. Dadurch schafft man Bedingungen, unter denen die verschiedenen Immunzellen optimal ihre Wirkung entfalten können. [13]

Entzündete Schleimhäute, Hustenreiz und Fieber sind Teil der Abwehrmaßnahmen des Körpers

Gleichzeitig läuft nach einiger Zeit die spezifische Immunantwort an. In den Lymphknoten werden weitere Immunzellen, die sogenannten Lymphozyten aktiv und beginnen sich zu vermehren. Dadurch schwellen Lymphknoten und bei Erkältungen vor allem auch die Mandeln an. Besonders eine Klasse von Lymphozyten, die sogenannten zytotoxischen T-Zellen unterstützen nun die NK-Zellen bei der Bekämpfung der Viren. [13]

Nach einiger Zeit unterstützten zytotoxische T-Zellen die Natural-Killerzellen

Sind die Krankheitserreger eingedämmt, klingt die Immunreaktion wieder ab. Stellt sich nur noch die Frage, an welcher Stelle Ingwer hier wirken könnte.

Wie wirkt Ingwer bei Erkältungen?

Frischer Ingwer aufgeschnittenDiese Frage ist schwierig zu beantworten. Das Immunsystem ist eine komplexe Einheit, die genau ausbalanciert sein will. Auf der einen Seite benötigen wir Entzündungen und die Freisetzung aggressiver Stoffe zur Bekämpfung von Krankheitserregern. Auf der anderen Seite fördern chronische Entzündungen Krebs [16], Diabetes mellitus [14], Herz-Kreislauf-Erkrankungen [16] und Alzheimer [15]. Überschießende Immunreaktionen lösen Allergien und Autoimmunerkrankungen aus.

Ingwer wirkt nachweislich entzündungshemmend und anti-oxidativ (siehe hierzu auch Entzündungen). [11] Dadurch leistet er einen wertvollen Beitrag, wenn es darum geht, den schlimmsten Erkrankungen der westlichen Gesellschaft entgegen zu wirken. Wenn man nun aber erkältet ist, sollte die Entzündungsreaktion nicht einfach unterbrochen werden, da sie ein wesentlicher Bestandteil der Immunabwehr ist. Wäre Ingwer demnach sogar kontraproduktiv?

Ingwer wirkt entzündungshemmend – Entzündungen sind jedoch Teil der Immunabwehr!

An diesem Punkt kommt die Erwartungshaltung der Menschen ins Spiel. Wenn es um die Wirkung von Ingwer bei Erkältungen geht, erwartet man etwas über die Linderung der Symptomatik zu erfahren. Weniger geschwollene Schleimhäute, Husten oder sogar Fieber. Doch wie weiter oben im Text erläutert sind diese Symptome wichtige Bestandteile der Immunantwort, die man nicht einfach unterdrücken sollte. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, dass man diese Vorgänge besser unterstützten sollte, um dem Körper bei der Abwehr zu helfen.

Leider sind die wenigsten Menschen heutzutage noch dazu bereit, eine Erkältung einfach durchzustehen, geschweige denn, die Symptome noch zu intensivieren. Stattdessen nimmt man lieber Medikamente, die die Symptome unterdrücken und einen schnell wieder „fit“ machen. Das Ergebnis ist, dass die Krankheitserreger nicht vollständig eingedämmt werden und die Erkältung nach kurzer Zeit zurück ist.

Darüber hinaus machen sich die meisten Menschen erst dann Gedanken über eine Erkrankung, wenn sie bereits krank sind. Dabei ist der Ausbruch der Symptomatik bei einer Erkältung ja bereits Teil des Heilprozesses. Daraus ergibt sich, dass es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt, wie Ingwer bei Erkältungen helfen könnte: Entweder er unterstützt direkt die Immunabwehr, oder er hilft im Vorfeld der Erkrankung, Krankheitserreger abzuwehren.

Bei einer Erkältung ist es wichtig, die Symptome nicht einfach zu unterdrücken

Mit diesem Wissen kann man sich nun mit den möglichen Wirkungsweisen von Ingwer bei Erkältungen auseinandersetzen. Da wäre zum einen sein immunstimulatorisches Potential. Ingwer kann die verschiedenen Mechanismen des Immunsystems unterstützten, bzw. helfen, sie gegen Krankheitserreger auszurichten. Bei Ratten konnte Gingerol sowohl die spezifische, als auch die unspezifische Immunabwehr stimulieren. [1] Außerdem konnte Ingwer in Kombination mit anderen natürlichen Inhaltsstoffe in der Zellkultur die Produktion von antiviralen Molekülen steigern [2] und zuvor inaktivierte Immunzellen wieder aktivieren. [3] Nicht zuletzt konnte man beobachten, dass Ingwer den Influenza-Virus durch Stimulation von Immunzellen bekämpft. [4]

Ingwer wirkt immunstimulatorisch

Ingwer kann außerdem direkt Krankheitserreger bekämpfen. Besonders sein antibakterielles Potential ist gut dokumentiert. So konnte Ingwer erfolgreich einige der häufigsten Erreger von Lungenentzündungen, Rachen- und Magen-Darm-Infekten, sowie Wundinfektionen bekämpfen. [5,6] Außerdem erwies sich Ingwer als wirksam gegen bestimmte Viren, unter anderem RS- und Rhino-Virus, die vor allem Atemwegsinfekte verursachen. [7,8] Besonders interessant ist dabei, dass Ingwer im Gegensatz zu vielen Antibiotika nicht die gesunden Darmbakterien tötet, sondern sogar im Gegenteil deren Wachstum fördert. [9]

Ingwer wirkt antibakteriell und antiviral

Ingwertee mit Zitrone
Ingwertee mit Zitrone

Ingwer kann also direkt Krankheitserreger bekämpfen und das Immunsystem stimulieren. Wirklich interessant wird es aber, wenn man bedenkt, dass Ingwer auch Immunreaktionen unterdrücken kann. Besonders deutlich wird diese Wirkung bei allergischen Reaktionen, die durch Ingwer gehemmt werden können. [10] An dieser Stelle hilft Ingwer nämlich im Gegenteil dabei, überschießenden Immunreaktionen vorzubeugen. Und hier kommt auch seine entzündungshemmende Wirkung ins Spiel. Denn tatsächlich kann es in gewissem Maße sinnvoll sein, auch bei Erkältungen Entzündungen zu hemmen.

Entzündungsreaktionen können schnell überschießen und unnötigerweise gesundes Gewebe schädigen, speziell in einem Körper, der bereits unter chronischen Entzündungen leidet. Die Herausforderung besteht darin, die Abwehrreaktionen nur ein wenig zu hemmen. Medikamentöse Entzündungshemmer sind in dieser Hinsicht nur wenig zu gebrauchen, da sie in der Regel nur wenige Zielmoleküle hemmen. Sie unterbinden die vollständige Reaktionskaskade, indem sie ein Schlüsselelement inaktivieren. Ingwer kann verschiedene Bestandteile der Entzündungsreaktion hemmen [11] und ist daher besser geeignet, ein Überschießen von Immunreaktionen zu unterbinden.

Ingwer wirkt immunmodulatorisch

Was kann man nun also mitnehmen? Ingwer hat ein ausgeprägtes immunologisches Potential. Es lohnt sich, Ingwer speziell während der Erkältungssaison regelmäßig einzunehmen, um von seiner immunstimulatorischen Wirkung zu profitieren. Wenn man bereits erkältet ist, kann es ebenfalls sinnvoll, eine gewisse Menge Ingwer zu sich zu nehmen. Allerdings sollte man nicht erwarten, dadurch die Erkältungssymptome wirklich loszuwerden. Auch sollte man in dieser Situation besser von hochdosierten Ingwerextrakten Abstand nehmen, um die Entzündungen als Teil der Immunabwehr nicht zu stark zu unterdrücken. Sobald man dann jedoch wieder gesund ist, können auch solche Extrakte helfen, der nächsten Erkältung vorzubeugen.

Quellen

(1) Farhath, S., Vijaya, P., & Vimal, M. (2013). Immunomodulatory activity of geranial, geranial acetate, gingerol, and eugenol essential oils: evidence for humoral and cell-mediated responses. Avicenna Journal of Phytomedicine, 3(3), 224–230.

(2) Mansoor, K. A., Qadan, F., Schmidt, M., Qinna, N. A., Badr, M., & Matalka, K. Z. (2018). A Functional Food Mixture “Protector” Reinforces the Protective Immune Parameters against Viral Flu Infection in Mice. Nutrients, 10(6). 

(3) Chakraborty, B., & Sengupta, M. (2012). Boosting of nonspecific host response by aromatic spices turmeric and ginger in immunocompromised mice. Cellular Immunology, 280(1), 92–100.

(4) Imanishi, N., Andoh, T., Mantani, N., Sakai, S., Terasawa, K., Shimada, Y., … Ochiai, H. (2006). Macrophage-mediated inhibitory effect of Zingiber officinale Rosc, a traditional  oriental herbal medicine, on the growth of influenza A/Aichi/2/68 virus. The American Journal of Chinese Medicine, 34(1), 157–169. 

(5) Akoachere, J. F. T. K., Ndip, R. N., Chenwi, E. B., Ndip, L. M., Njock, T. E., & Anong, D. N. (2002). Antibacterial effect of Zingiber officinale and Garcinia kola on respiratory tract pathogens. East African Medical Journal, 79(11), 588–592.

(6) Awan, U. A., Ali, S., Shahnawaz, A. M., Shafique, I., Zafar, A., Khan, M. A. R., … Andleeb, S. (2017). Biological activities of Allium sativum and Zingiber officinale extracts on clinically important bacterial pathogens, their phytochemical and FT-IR spectroscopic analysis. Pakistan Journal of Pharmaceutical Sciences, 30(3), 729–745.

(7) Chang, J. S., Wang, K. C., Yeh, C. F., Shieh, D. E., & Chiang, L. C. (2013). Fresh ginger (Zingiber officinale) has anti-viral activity against human respiratory syncytial virus in human respiratory tract cell lines. Journal of Ethnopharmacology, 145(1), 146–151.

(8) Denyer, C. V, Jackson, P., Loakes, D. M., Ellis, M. R., & Young, D. A. (1994). Isolation of antirhinoviral sesquiterpenes from ginger (Zingiber officinale). Journal of Natural Products, 57(5), 658–662.

(9) Lu, Q.-Y., Summanen, P. H., Lee, R.-P., Huang, J., Henning, S. M., Heber, D., … Li, Z. (2017). Prebiotic Potential and Chemical Composition of Seven Culinary Spice Extracts. Journal of Food Science, 82(8), 1807–1813. 

(10) Kawamoto, Y., Ueno, Y., Nakahashi, E., Obayashi, M., Sugihara, K., Qiao, S., … Takeda, K. (2016). Prevention of allergic rhinitis by ginger and the molecular basis of immunosuppression by 6-gingerol through T cell inactivation. The Journal of Nutritional Biochemistry, 27, 112–122. 

(11) Semwal, R. B., Semwal, D. K., Combrinck, S., & Viljoen, A. M. (2015). Gingerols and shogaols: Important nutraceutical principles from ginger. Phytochemistry. 

(12) https://de.wikipedia.org/wiki/Atemwegsinfektion

(13) https://de.wikipedia.org/wiki/Immunsystem

(14) Patel, P. S., Buras, E. D., & Balasubramanyam, A. (2013). The role of the immune system in obesity and insulin resistance. Journal of Obesity, 2013, 616193. 

(15) Holmes, C. (2013). Review: systemic inflammation and Alzheimer’s disease. Neuropathology and Applied Neurobiology, 39(1), 51–68. 

(16) Rajendran, P., Chen, Y.-F., Chen, Y.-F., Chung, L.-C., Tamilselvi, S., Shen, C.-Y., … Huang, C.-Y. (2018). The multifaceted link between inflammation and human diseases. Journal of Cellular Physiology, 233(9), 6458–6471.